05. Feb. 2018

Bereits heute hat die fortschreitende Digitalisierung großen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten der Menschen. Zahlreiche Apps für Smart Phones und Web-Applikationen unterstützen die Planung der Wege, abhängig von Ziel, Verkehrslage, Wetter und anderen Einflussgrößen.

Allerdings liegt es im Moment noch am/an der NutzerIn diese Apps zu bedienen, die Ergebnisse auszuwerten und zu kombinieren und so die optimale, gegebenenfalls multimodale Möglichkeit einen Weg zu bewältigen, zu identifizieren.

Die wesentliche Entwicklung, die hier in den nächsten Jahren auf uns zukommen wird, ist laut Zukunftsforscher Lars Thomsen die Aufwertung der künstlichen Intelligenz.1) So werden künftig unsere digitalen Helfer, wie Smart Phones oder PCs oder selbst entsprechend ausgestattete Autos, in der Lage sein, Vorauszudenken. Beispielsweise müsste dann die Anreise zu einem Termin nicht mehr selbständig geplant werden. Der Computer wird eigenständig in der Lage sein, ein oder mehrere ideale Verkehrsmittel in Kombination zu identifizieren und gleich die gesamte Wegstrecke durchplanen, wie etwa nötige Ladestopps bei einer Fahrt mit einem E-Auto oder Umsteigestopps auf ein anderes Verkehrsmittel bei einer multimodalen Nutzung des Mobilitätangebots. Darüber hinaus wird ein Computer in der Lage sein, auf aktuelle Ereignisse wie Stau, Nachfrage nach bestimmten Wegen, Wetter, etc. flexibel selbständig einzugehen und die Routen dementsprechend umplanen können. Laut Lars Thomsen ist es für diese Form des Mobilitätsmanagements erforderlich, dass wesentliche Informationen, auch persönliche, wie Termine und Gewohnheiten dem Computer zur Verfügung stehen.

Helsinki arbeitet bereits aktuell intensiv an einem digitalisierten multimodalen Verkehrsangebot. Bereits ab 2025 werden die EinwohnerInnen nicht mehr auf einen eigenen PKW angewiesen sein. Sowohl das städtische als auch das gewerbliche Personentransportangebot wird dafür durchgeplant. Busrouten sollen sich an der aktuellen Nachfrage orientieren, der ÖPNV wird mit autonomen Fahrzeugen und Car-Sharing Autos ergänzt. Alle diese Dienste werden einfach digital organisiert und jederzeit abrufbar sein.2)

Insbesondere die „Last mile“ stellt nach wie vor eine Herausforderung für ein „intermodales Mobilitätsangebot“ dar. Gerade täglich wiederkehrende Wege, kann man aufgrund seines persönlichen Erfahrungsschatzes, nach einer gewissen Anzahl von Wiederholungen optimieren und auch in gewissem Rahmen flexibel auf aktuelle Ereignisse wie Stau oder Störungen im ÖV-Angebot eingehen. Gerade im städtischen Raum nutzen bereits heute eine Vielzahl von Menschen diverse Apps und organisieren so ihre intermodale Mobilität. 3) Im ländlichen Raum stellt sich die Situation deutlich anders dar. Es ist sowohl die Anzahl und Vielfalt von Angeboten eingeschränkt, als auch haben potentielle NutzerInnen beispielsweise nicht ausreichende Informationen über lokale Mobilitätslösungen wie Mikro-ÖV Systeme, so zum Beispiel Anrufsammeltaxis, Leihmöglichkeiten von (E)-Rädern oder Car-Sharing Möglichkeiten zur Verfügung oder es würde eine umfangreiche Recherchearbeit nach sich ziehen.

Die Hemmnisse für einen Umstieg auf digitalisierte und multimodale Angebote liegen wahrscheinlich auch an dem Gefühl der mangenden Kontrolle und dem fehlenden Überblick über das schwer verständliche Konglomerat an Transportmitteln und Buchungsoptionen. Gerade hier bietet die Digitalisierung Möglichkeiten, um das Gefühl einer besseren Kontrolle und Übersicht herzustellen. Mobilitätsangebote müssen sich noch stärker zu komfortablen Serviceangeboten entwickeln: „Mobility as a Service“ – Integration verschiedener Verkehrsträger in einem einzigen Mobilitätsangebot, das jederzeit abrufbar ist und planen, buchen, und bezahlen integriert ermöglicht. 4)

Die neuen Möglichkeiten, die aus der Digitalisierung entstehen können, sind tiefer greifende Verhaltensänderungen im Mobilitätsverhalten. Auch dabei können Apps, die Verknüpfungen zwischen verschiedenen Optionen herstellen, sogenannte „All-in-one-Apps“, unterstützen. Diese können beispielsweise prognostizieren, dass ein bestimmter Weg mit dem Fahrrad in 17 Minuten bewältigt werden kann, man mit dem Auto allerdings 25 Minuten benötigt und das bei höheren Kosten. Gleichzeitig informiert die App auch noch über die positiven Auswirkungen der Wahl des Fahrrads auf unsere CO2 Bilanz und Gesundheit und hinterlässt so ein positives Gefühl. 5)

Damit digitale Angebote im Mobilitätsbereich funktionieren können, ist eine Zurverfügungstellung von zahlreichen Daten notwendig. Hier gilt es in Zukunft, international rasch Regelungen zu finden, um einen Missbrauch dieser sensiblen Daten zu vermeiden.

Die Digitalisierung alleine wird allerdings keine Steigerung der Klimafreundlichkeit der Mobilität nach sich ziehen. KritikerInnen wie Evgeny Morozov meinen, dass die Digitalisierung sogar zu einer Stärkung des motorisierten Individualverkehrs führen könnte. Die weitere Steigerung der Bequemlichkeit von PKWs, wie etwa selbstfahrende Autos oder andere digitale Möglichkeiten könnten auch zu einer gegenteiligen Entwicklung führen. 6) Daher wird es von äußerster Bedeutung sein, Rahmenbedingungen zu schaffen und vor allem Bewusstseinsbildung zu betreiben, um nicht weniger als einen Paradigmen-Wechsel im Mobilitätsbereich herbeizuführen. Bei gezielter Lenkung bietet die Digitalisierung enormes Potential die Gesamtanzahl der Fahrzeuge drastisch zu reduzieren.

Eine weitere Möglichkeit, die sich mit der Digitalisierung bietet, ist, bereits weniger Mobilität entstehen zu lassen. Etwa mit einer vermehrten Nutzung von Home-Offices oder Co-Working Spaces, Videokonferenzen, Besuch von Webinaren, Nutzung von Online-Formen für Projektarbeit und Ähnlichem. Darüber hinaus bieten digitale Möglichkeiten auch die Chance einer vorausschauenden Planung. Kurze Wege, ausreichend Infrastruktur für aktive Mobilität, attraktive Gestaltung der Wege und des öffentlichen Raumes für den aktiven Verkehr müssen im Mittelpunkt einer solchen Planung stehen. So etwa meint der Stadtplaner Jan Gehl, dass unsere Gefühle unser Verhalten im öffentlichen Raum beeinflussen. 7) Auch hier bieten sich zahlreiche Möglichkeiten durch die Digitalisierung. So setzen derzeit schon einige Städte auf Angebote, wo mittels App Störungen im öffentlichen Raum ganz einfach an die zuständigen Behörden weitergeleitet werden können und diese somit zeitnah und effizient behoben werden können. Ein österreichisches Beispiel hierfür ist die App „Sag’s Wien“. 8) Denkt man diesen Schritt weiter, ergeben sich enorme Möglichkeiten der Mitgestaltung des öffentlichen Raums durch die Bevölkerung und somit einer Attraktivierung dessen. Attraktive öffentliche Räume steigern die Lust, vermehrt aktive und multimodale Mobilitätsangebote in Anspruch zu nehmen.

Ein weiteres wichtiges künftiges Optimierungsfeld mittels Digitalisierung ist die betriebliche Mobilität. Unternehmen können sich mit einem intelligenten Flottenmanagement enorme Kosten sparen und gleichzeitig die negativen Auswirkungen auf die Umwelt drastisch senken.
Mit Hilfe der Digitalisierung ist in einem ersten Schritt eine detaillierte Analyse der Fahrzeugflotte eines Unternehmens, aber auch der mit anderen Verkehrsmitteln zurück gelegte Wege möglich. „Es geht künftig um die zur Verfügung stehende passende Mobilität für eine genau definierte Zeit. Das soll automatisiert, digital und transparent passieren.“ 9)

Kommen beispielsweise vermehrt E-Fahrzeuge in einem Fahrzeugpool zur Anwendung, ist auch ein intelligentes Management der Ladevorgänge von Nöten, sprich jeder/m NutzerIn muss exakt zum benötigten Zeitpunkt ein ausreichend aufgeladenes Fahrzeug zur Verfügung stehen. Gleichzeitig muss auf eine intelligente Ausnutzung der Energienetze geachtet werden, um Überlastungen vorzubeugen und nachhaltig erzeugte Energie möglichst dann zu verwenden, wenn sie zur Verfügung steht. Digitale Reservierungssysteme ermöglichen diese Form des Managements. 10)

Gute digitale Flottenmanagementsysteme erheben Informationen sowohl zu Fahrzeugen, als auch zu den FahrerInnen und können diese hohe Zahl an Informationen aufnehmen und in Echtzeit und vor allem auch „predictive“ analysieren und eine bezogen auf ein spezifisches Geschäftsmodell und dessen Mobilitätsbedarf optimale Planung generieren. 11)

Mit Hilfe digitaler Anwendungen wird der Weg für schlanke, effizientere und unternehmensübergreifende Flotten in Kombination mit der Nutzung der Mobilitätsangebote des Öffentlichen Verkehrs und der aktiven Mobilität frei werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Digitalisierung enorme Möglichkeiten im Bereich der nachhaltigen Mobilität bietet. Effiziente und multimodale Nutzung der nachhaltigen Mobilitätsangebote wird erheblich erleichtert. Eine vorausschauende Mobilitätsplanung wird durch digitale Anwendungen unterstützt. Fuhrparks können durch digitale Anwendungen effizienter organisiert werden. Der öffentliche Raum kann neu organisiert und für unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse attraktiv gestaltet werden. Allerdings birgt die Digitalisierung, vor allem in Kombination mit dem autonomen Fahren, auch Risiken, als dass der motorisierte Individualverkehr weiter gestärkt wird.

Aber nicht nur aus einer ökologischen und soziologischen Perspektive, sondern vor allem aufgrund einer ökonomischen Resilienzperspektive 12) wird ein Umstieg auf elektrische, vernetzte Mobilität in den kommenden Jahren zwingend erforderlich sein. Hier gilt es, in den nächsten Jahren richtungsweisende Entscheidungen in der Politik zu fällen und gute Rahmenbedingungen für eine positive Entwicklung der nachhaltigen Mobilität mit digitaler Unterstützung herzustellen, sprich einen Paradigmenwechsel in der Mobilität herbei zu führen.

 

Autorin: DI Anna Aytan, 2017

 

1) Vortrag Lars Thomsen „520 Wochen Zukunft“, 15.09.2019 Burg Neulengbach
2) Austriatech: Elektromobilität 2016, Monitoringbericht, S. 13
3) „Die Digitalisierung der Mobilität“, https://www.vcd.org/themen/multimodalitaet/schwerpunktthemen/digitalisierung-mobilitaet/, 06.11.2017 4) https://carsharing.de/neue-kooperationen-zwischen-carsharing-oepnv, 16.11.2017
5) VCÖ Factsheet „Wie Digitalisierung Mobilität klimaverträglicher macht“, 2017, S. 10
6) https://www.t-systems.com/en/best-practice/02-2016/focus/pioneer/digital-responsibility-351752, 14.12.2017
7) http://www.sueddeutsche.de/leben/jan-gehl-ueber-fussgaenger-1.2622291, 14.12.2017
8) „Sag’s Wien“, https://www.wien.gv.at/sagswien/, 16.11.2017 9) http://www.umweltservicesalzburg.at/de/neuigkeiten/detail.asp?id=576&tit=Aus%20Expertensicht, 13.12.2017
10) https://industriemagazin.at/a/digitales-umdenken-im-fuhrpark, 13.12.2017
11) Harald Trautsch, MSc MBA auf FLEET Convention 2017: Connected Car im Fuhrpark, https://flotteundwirtschaft.at/video.php, 13.12.2017
12) Prof. Dr. Stephan Rammler, Auf der Überholspur, Volk ohne Wagen auf https://www.youtube.com/watch?v=RxoZRJUC5Bo, 16.11.2017

 

Diese Aktivitäten erfolgten im Rahmen des Forschungsprojektes SEAMLESS, das mit Mitteln des Klima- und Energiefonds im Zuge der 7. Ausschreibung des Programms „Technologische Leuchttürme der Elektromobilität“ durchgeführt wird. Details zu diesem Projekt finden Sie unter www.seamless-project.at.